ChessBase Magazin

Französisch Klassisch mit 7.a3!?

Der WM-Franzose

Robert Ris betrachtet Gukeshs 7.a3!?

Unsere Anfangszüge lauten 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.Sce2 c5 6.c3 Sc6.

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In diesem Artikel werde ich eine sehr interessante Eröffnungsidee des neuen Weltmeisters untersuchen. Während des Weltmeisterschaftskampfes wartete Gukesh mit einer Menge interessanter neuer Eröffnungsideen auf, und ich persönlich fand seinen Ansatz in seiner letzten Weißpartie (Partie 13) faszinierend.

In der bekannten Variante des Klassischen Französisch entschied sich Gukesh für den Aufbau, bei dem der weiße Springer auf c3 nach e2 zurückgeht mit dem Ziel, im Anschluss mit c2-c3 seine Bauernkette zu stärken. Diese Idee ist nicht neu und wurde schon viele Male von starken Großmeistern angewendet. Es folgt ein typischer Französisch-Kampf, in dem Weiß versucht, seinen Raumvorteil beizubehalten, und Schwarz bestrebt ist, die weiße Kette anzugreifen. Die Hauptoptionen für Weiß sind hier 7.f4 und 7.Sf3, die beide zu einem interessanten Spiel mit Chancen für beide Seiten führen.

Gukesh entschied sich stattdessen für das relativ unbekannte 7.a3!?,

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ein nützlicher Wartezug. Schwarz hat eine Menge interessanter Optionen, also sehen wir uns die Sache mal genauer an.

Meiner Meinung nach gibt es fünf kritische Ideen, die wir untersuchen müssen: A) 7...Db6?!, B) 7...Le7, C) 7...a5, D) 7...b5 und E) 7...cxd4 8.cxd4 f6.

A) 7...Db6?!

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Ein Französisch-Spieler sollte immer die Möglichkeit in Betracht ziehen, die Schwachstellen in der weißen Bauernkette (b2 und d4) anzugreifen. Hier hat sie jedoch nicht mehr den gewünschten Effekt, da Weiß 8.b4 cxd4 9.cxd4 erwidern kann, mit einer sehr bequemen Stellung. Wegen des Springers auf d7 ist Schwarz nicht in der Lage, seine Entwicklung am Damenflügel zu vollenden. Die Unterminierung des weißen Damenflügels mit 9...a5 kann beantwortet werden mit dem starken Bauernopfer 10.b5! Dxb5 11.Sc3 Db6 12.Sge2.

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Schwarz' Mehrbauer am Damenflügel ist nichts wert, da Weiß das Feld b5 gut kontrolliert und alle Möglichkeiten hat, auch auf der anderen Seite des Brettes Druck aufzubauen.

Vermutlich hatte auch Ding Liren diese Idee gesehen, und nachdem er 17 Minuten verbraucht hatte, entschied er sich schließlich für ...

B) 7...Le7

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Ein ziemlich natürlicher Entwicklungszug, aber hier ist 8.Le3!? die Hauptpointe des weißen Spiels. Er entscheidet sich bewusst dafür, die Entwicklung seines Königsspringers aufzuschieben und stärkt stattdessen seine Bauernkette mit der Unterstützung seines Läufers. Auf diese Weise bleibt Weiß sehr flexibel und schickt sich an, den Springer von e2 nach f4 zu ziehen. Ding verbrauchte hier weitere 37 Minuten für seinen nächsten Zug, aber nach 8...Sb6?! 9.Sf4! cxd4 10.cxd4 Sc4 11.Lxc4 dxc4

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ist die Stellung von Schwarz bereits ziemlich verdächtig, insbesondere wenn Gukesh hier 12.Dg4! gespielt hätte. Schwarz kann nun weder seine Damenflügelmehrheit mobilisieren noch das Feld d5 kontrollieren. Ausführlichere Analysen finden Sie in den Anmerkungen zu Gukesh,D - Ding,L ½-½.

C) 7...a5

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Eine typische Antwort, die die Expansion von Weiß am Damenflügel verhindert. Der kritische Zug ist 8.Sf3, wonach das Spiel wahrscheinlich in Varianten übergehen wird, die sich normalerweise aus 7.Sf3 ergeben. Schwarz muss sofort handeln. Nach etwas wie 8...Le7?! 9.Sf4 a4 10.Ld3!

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erlangt Weiß eine Traumstellung, da sich seine Leichtfiguren nicht mehr gegenseitig behindern. In der Modellpartie Ponomariov-Ni Hua (siehe die Anmerkungen zur Partie Carlsen,M - Nepomniachtchi,I 1-0) bekam Weiß einen sehr schönen Angriff.

Stattdessen lautet die kritische Fortsetzung 8...a4!, wonach Weiß mit 9.h4!? beginnt, die Initiative auf der anderen Seite des Brettes zu ergreifen.

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Interessanterweise wurde diese Stellung in zwei Partien zwischen Magnus Carlsen und Ian Nepomniachtchi erreicht. In der ersten Partie entschied sich Schwarz für 9...Da5 10.Ld2 Db6!.

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Eine bekannte Idee, die die Koordinationsprobleme von Weiß aufzeigt, da dieser zuerst seine Bauern auf b2 und d4 schützen muss. Es folgte 11.Tb1 Le7 12.Le3.

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Hier entschied sich Nepo für 12...0-0? und unterschätzte damit eindeutig das Angriffspotenzial von Weiß, denn die Partie dauerte nur 23 Züge! Stattdessen ist der Schlüsselzug für Schwarz, um das Gleichgewicht zu halten, 12...Da5!, der den Bauern auf c3 fesselt und Weiß daran hindert, mit einem Bauern auf d4 zurückzuschlagen. In diesem Fall gibt es nichts Besseres als eine Zugwiederholung mit 13.Ld2 Db6= usw. Um eine sofortige Wiederholung zu vermeiden, habe ich mir kleinere Verbesserungen wie 10.Lf4 und 11.Th3!? angesehen. Meiner Meinung nach bietet die zweite Option Weiß bessere praktische Chancen, ein kompliziertes Mittelspiel ohne zu viele forcierte Varianten zu erhalten.

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Im obigen Diagramm, der Endstellung der 1. Partie zwischen Carlsen und Nepomniachtchi, gab Schwarz auf, da als nächstes 24.Sg5 kommt.

Zehn Tage nach dieser Katastrophe wiederholte Nepo dieselbe Variante in einer entscheidenden Must-Win-Partie beim Finale der Blitzweltmeisterschaft in New York. Da ein Remis nicht in Frage kam, beschloss er, mit 9...Sb6?! abzuweichen, was zu einem faszinierenden, wenn auch objektiv für Schwarz etwas fragwürdigen Mittelspiel führte. Nach 10.Sf4 Sa5 kann hier das Spiel von Weiß verbessert werden mit 11.dxc5! (was schließlich zu einem klaren Vorteil für ihn führt). Ich vermute, dass Magnus keinen Grund sah, die Sache durch ein Qualitätsopfer zu verkomplizieren: 11...Sb3 12.cxb6 Sxa1 13.Le3 Sb3 14.Sh5.

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Mit dem drohenden Manöver Th3-g3 steht die schwarze Stellung kurz vor dem Zusammenbruch. Nach dieser verpassten Gelegenheit zeigte Nepo sein großes taktisches Geschick, indem er einen massiven Angriff gegen den weißen König startete und es schaffte, mit Schwarz in nur 31 Zügen zu gewinnen.

Übung: Schwarz zieht und gewinnt!

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Siehe Analyse dieser beiden Partien: Carlsen,M - Nepomniachtchi,I 1-0.

D) 7...b5

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Die Expansion am Damenflügel ist eine der thematischen Ideen von Schwarz, um mehr Raum für seine eigenen Figuren zu gewinnen und Weiß unter Druck zu setzen. Der Zug wurde oft gegen 7.Sf3 gespielt, wobei sich wahrscheinlich Übergänge ergeben.

Auch in dieser Variante hat Magnus Carlsen einige positive Erfahrungen gesammelt, denn er vernichtete in großartiger Manier seinen ehemaligen Sekundanten, definitiv eine Partie, die das Nachspielen lohnt: Carlsen,M - Fressinet,L 1-0. Im 8. Zug hat Schwarz wieder einmal viele Möglichkeiten. Einige wichtige Punkte, die Ihnen helfen, diese Bauernstrukturen besser zu verstehen:

1) 8...b4? ist ein positioneller Fehler, denn nach 9.axb4 cxb4 10.Sf4

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hat Schwarz keinen Druck mehr gegen das Zentrum von Weiß. Beachten Sie, dass der Durchbruch im Zentrum mit c3-c4 zu einer ernsthaften Drohung geworden ist!

2) Nach 8...cxd4 9.cxd4 b4 ist Weiß gut beraten, mit 10.a4! La6 11.b3! den Damenflügel geschlossen zu halten.

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Mit Zügen wie h2-h4, Th3 und Sf4 wird Weiß schnell die Initiative am Königsflügel ergreifen.

3) In den Anmerkungen zu Carlsen,M - Fressinet,L 1-0 werden Sie auf eine Reihe von Varianten stoßen, in denen Weiß es vorziehen könnte, mit einer Figur auf d4 zurückzuschlagen (anstelle des automatischen cxd4, wodurch die Bauernstruktur intakt bleibt). Wie immer hängt alles von den genauen Umständen ab, aber bitte behalten Sie dies als eine wichtige Alternative im Hinterkopf, da es Ihren Angriffschancen einen neuen Schub geben kann.

E) 7...cxd4 8.cxd4 f6

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Nicht zuletzt sollten wir die dynamische Antwort eines frühen ...f7-f6 nicht vergessen. Meiner Meinung nach ist der kritische Test 9.exf6 (9.Sf4 wird auch im Detail behandelt, aber ich konnte für Weiß nichts nachweisen), wonach Schwarz entscheiden muss, ob er mit dem Springer oder der Dame zurückschlagen soll.

E1) In der Partie Ladron de Guevara Pinto,P - Adla,D 0-1 entschied sich Schwarz für 9...Dxf6 und erlangte bald einen Gewinnvorteil, nachdem Weiß die Sache falsch anging. Die kritische Variante lautet 10.Sf3 Ld6 11.Sg3

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und jetzt wird das Spiel nach dem zentralen Vorstoß 11...e5 ziemlich scharf. Ich habe die Sache bis zum 22. Zug weiter analysiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass Weiß trotz der ausgeglichener Stellung mit zwei Bauern für die Qualität reichlich Kompensation und noch einige praktische Chancen hat.

E2) Die Alternative 9...Sxf6 10.Sf3 Ld6

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sieht aus wie eine Stellung, die aus der Tarrasch-Variante (3.Sd2) entstehen könnte. Weiß hat nun eine Reihe von Möglichkeiten, die alle zu mehr oder weniger ausgeglichenen Mittelspielstellungen führen, in denen es aber noch reichlich Spiel gibt, wie in den Anmerkungen zu Ladron de Guevara Pinto,P - Adla,D 0-1 besprochen.

Fazit: Meiner Meinung nach führt 7.a3!? zu einer faszinierenden und komplizierten Mittelspielschlacht, in der Weiß versucht, dank seines Raumvorteils im Zentrum Angriffschancen aufzubauen. In letzter Zeit wurden nicht viele Partien gespielt, aber die Tatsache, dass dieses System sowohl von Gukesh als auch von Carlsen angewandt wurde und dass die Schwarzspieler Ding Liren und Nepomniachtchi in ernsthafte Schwierigkeiten gerieten, zeigt, dass die Dinge nicht so einfach sind. Für diejenigen, die es von schwarzer Seite aus spielen, würde ich empfehlen, sich entweder die Variante C) 7...a5 näher anzusehen, wenn man ein zweischneidiges Mittelspiel sucht, während die Variante E) 7...cxd4 8.cxd4 f6 zu einfacherem Spiel führt.